Friedberg, Mai 2020 – Als 2,99 Meter kurzer Cityflitzer konzipiert, unter dem Kosenamen Marienkäfer („Ladybug“) unerreicht populär, als rundlich geformtes Kultauto von anderen Kei-Cars stilistisch zitiert und schließlich als industrielles Kulturerbe zum Meilenstein der japanischen Automobilgeschichte erklärt: Das im Frühjahr 1958 vorgestellte Microcar Subaru 360 hat Maximales geleistet und die Automobilmarke Subaru weltweit bekannt gemacht. Dieser erste in Großserie gebaute Subaru traf die Japaner mitten ins Herz, machte er doch endlich den Traum vom eigenen Auto auch für Durchschnittsverdiener zur bezahlbaren Realität. Mehr noch, das technische Konzept des kleinen Zweitürers war so wegweisend, dass der Subaru 360 als einziger seiner Klasse zwölf Jahre in Produktion blieb und sogar amerikanische Highways eroberte.
Tatsächlich war der 5. März 1958 ein Tag, der in Japan Industriegeschichte geschrieben hat. An jenem Datum enthüllte Fuji Heavy Industries (FHI), der damalige Mutterkonzern von Subaru, in Tokio den viersitzigen Subaru 360 als erstes in Volumenfertigung gehendes Familienfahrzeug der neuen Kei-Car-Klasse. Ein von der Politik definiertes Kleinstauto-Segment, das Modelle mit bis zu 360 cm³ Hubraum und maximal drei Meter Länge sowie 1,30 Meter Breite steuerlich privilegierte, um die Motorisierung der Bevölkerung zu beschleunigen. Zu einem wahren Hype um diese ersten erschwinglichen Automobile führte der Verzicht vieler Städte auf den sonst üblichen Nachweis eines privaten Parkplatzes. Zwar war der Subaru 360 nicht das allererste Kei-Car, aber er war Vorreiter in der Massenfertigung und füllte so die Rolle eines japanischen Volksautos aus.
Große Erfolge für einen kleinen Welteroberer und der Grundstein für eine Weltmarke
Klein, quirlig und dennoch ein vollwertiges Automobil für junge Familien, damit wurde der Subaru 360 zum Trendsetter. Der flotte Zweizylinder-Zweitakter wies den Weg, wie sich ein minimal motorisiertes Transportvehikel zu einem begehrenswerten „Kei Jidosha“ (Leicht-Automobil) transformieren ließ, das mit guter Ausstattung überlandtauglich war.
Tatsächlich konnte die Fahrzeugkategorie der Kei-Cars wahrscheinlich nur im Land der aufgehenden Sonne entstehen, dort wo die Kunst der Miniaturisierung eine einzigartige Tradition besitzt. Treiben doch die Japaner die funktionelle und ästhetische Verkleinerung von Pflanzen wie den Bonsai-Bäumen, aber auch von technischen Geräten und Gebrauchsgegenständen seit Jahrhunderten in höchster Virtuosität zu immer neuen Grenzen. Geschätzt werden diese kreativen Welten en miniature ganz besonders in den dicht besiedelten Ballungsräumen, also dort, wo Raum Luxus ist. Hier finden die winzigen Kei-Cars bis heute so viele Käufer, dass sie bis zu einem Viertel des japanischen Automobilmarktes dominieren. Eine Massenbewegung, die der avantgardistische, anfangs gerade einmal 12 kW/16 PS leistende und laut japanischer Norm nur 3,87 Liter Benzin pro 100 Kilometer konsumierende Subaru 360 initiiert hat.
Damit nicht genug, der Subaru 360 legte gemeinsam mit der hubraumgrößeren Exportversion Subaru Maia 450 die Basis für den weltweiten Erfolg von Subaru als Automobilhersteller. Schon zum Marktstart kündeten die kleinen Zweitürer von der erstaunlichen Innovationskraft der jungen Marke Subaru, die allerdings über das große technologische Kapital des traditionsreichen Mutterkonzerns FHI verfügte. Dieser war 1917 als Versuchslabor für Flugzeugbau gegründet worden. Im Jahr 1953 erweiterte FHI sein Geschäftsfeld um den Automobilbau und entwickelte eine Mittelklasselimousine. Die Serienproduktion unter dem Markennamen Subaru begann fünf Jahre danach mit dem Modell 360. Noch vor der späteren Fokussierung auf Boxermotoren und den permanenten symmetrischen Allradantrieb setzte Subaru schon bei diesem ersten Kleinstwagen auf kompromisslose Sicherheit, effiziente Antriebe, Fahrspaß und herausragende Kundenzufriedenheit.
So präsentierte sich der Subaru 360 als Pionier modernen Leichtbaus, war er doch im Jahr 1958 mit nur 385 Kilogramm Gewicht der leichteste in Japan produzierte Viersitzer. Leichtbau, der nicht zu Lasten der Sicherheit ging, denn als erstes asiatisches Fahrzeug stellte sich der Subaru 360 Crashtests, deren Ergebnisse in die stabile Karosseriekonstruktion und in das massive Monocoque einflossen. Für aktive Fahrsicherheit stand die damals außergewöhnliche Einzelradaufhängung vorne und hinten. Welches überraschende fahrdynamische Potential der Zweitürer bot, demonstrierten von Beginn an seine zahlreichen Einsätze bei Rennen.
Dagegen bewiesen die Motoren ihre Zuverlässigkeit und überraschendes Temperament auf 20.000 Testkilometern über deutsche und europäische Autobahnen. Ein 1960 ausgetragenes spektakuläres Fahrprogramm, das einen französischen Testfahrer zu dem Kommentar veranlasste: „Dieses Fahrzeug macht uns klar, dass wir mit der Automobilindustrie dieses Landes künftig rechnen müssen.“
Wie berechtigt diese Einschätzung nicht nur für Europa sondern auch für Amerika war, zeigte sich 1968. Der vorausgegangene „Summer of Love and Peace“ hatte nicht wenigen Importfahrzeugen Kultstatus beschert und so fand nun auch der Subaru 360 seinen Weg in die Showrooms amerikanischer Händler. Dort wirkte der inzwischen mit automatisiertem Schaltgetriebe verfügbare Kleinstwagen so kurios, dass ein Fachjournalist bewundernd konstatierte: „Der winzige, rundlich geformte Samurai schaut durch seine kecken Kulleraugen neugierig und unerschrocken auf die Welt gigantischer Straßenkreuzer und endlos langer Highways.“ Natürlich war dort eigentlich nicht das Feld für einen Cityflitzer, aber überraschend viele Amerikaner belohnten das Selbstvertrauen des Subaru und stellten diesen Zweizylinder neben ihre V8. Fortan war die Marke aus Nippon im Herzen der Amerikaner verankert, auch wenn noch einige Jahre vergehen sollten bis Subaru mit permanentem Allradantrieb eine vollkommen andere Vorreiterrolle übernahm.
Vielseitigkeit im Kleinstformat: Familienfahrzeuge, Frischluftflitzer und Freizeitsportler
Damit nicht genug der Einmaligkeit des Subaru 360. Denn als erstes Kei-Car präsentierte sich der preiswerte Pragmatiker fast von Beginn an als Begleiter für alle Lebenslagen. So folgte auf den viersitzigen Sedan eine fünfsitzige Limousine mit breiter Rückbank, ein extravagantes Cabriolet mit Hardtop und Verdeck, die Kombi-Version „Custom“, die „Commercial“-Variante für Lieferdienste und Handwerker, Pickup- und Kastenwagen sowie Freizeitfahrzeuge. Nicht zu vergessen die sportlichen Leistungsträger. Ganz nach westlichem Vorbild wollten in den 1960er Jahren auch fernöstliche Kei-Car-Käufer mit ihrem Auto werktags zur Arbeit fahren und am Sonntag Lorbeeren auf der Rundstrecke ernten. Ein Trend, der von Subaru früh erkannt wurde und so jagten bald flinke 360 über schmale Rundstrecken. Größten Respekt errangen die Micro-Racer im Mai 1964 durch einen souveränen Klassensieg beim Grand Prix von Japan.
Was dem Subaru 360 jetzt noch fehlte – eine aufregende Roadsterstudie von 1961 blieb nur ein schöner Traum – war ein entsprechend sportives Outfit für den schnellen Auftritt. Besonders die Jugend rief danach und deshalb legte Subaru 1968 die Young-S und Young-SS-Modelle auf, dies mit kräftigeren 18 kW/25 PS- bzw. 26 kW/36 PS-Motoren und weithin erkennbaren Sportabzeichen. Farblich abgesetzte Dachlackierungen und Armaturentafeln, vor allem aber auffällige Rallyestreifen verrieten die jungen Wilden unter den Kei-Cars.
Trotz der Modellbezeichnung „Young“ war der Subaru 360 im Jahr 1968 in Wahrheit bereits ein Methusalem nach den Maßstäben der japanischen Automobilmode. Aber was für einer! So widersetzte sich der Flitzer nicht nur dem üblichen vierjährigen Modellwechselzyklus, sondern er bescherte Subaru auch einen in der Automobilindustrie bis dahin beispiellosen Absatzerfolg: Als erstes japanisches Automobil verkaufte sich die Subaru-360-Serie in fast unveränderter Form in mehr als einer halben Million Einheiten. Ein Jubiläum, das Subaru 1967 feierte, zeitgleich mit einem neuen Produktionsrekord. Denn in diesem Jahr liefen erstmals über 68.000 Einheiten des multitalentierten Microcars vom Band. Beste Basis für eine Fortsetzung der Karriere bis ins Frühjahr 1970.
Erst Kult, dann Kulturerbe: Der Subaru 360
Nationalen Kultstatus genoss der coole Kleine von Beginn an, versprach der Subaru 360 doch automobile Freiheit zu überschaubaren Kosten. Hinzu kam seine rundlich geformte Silhouette, die viele Betrachter an ein niedliches Krabbeltier erinnerte. So gesehen war der Kosename „Marienkäfer“ („Ladybug“) nur konsequent. Als die Exportversion des Subaru 360 flügge war, durfte sie unter dem offiziellen Namen Maia wie eine Biene ausfliegen und wo immer die kleinen Kei-Cars landeten, bewirkten sie Emotionen. Auch wenn ihre tatsächlichen Exporterfolge überschaubar blieben, waren sie doch perfekte Markenbotschafter, die als Modellauto bis heute ebenso beliebt sind wie als kleine Helden in Anime-Serien wie Pokémon, in Videospielen wie Gran Turismo oder als Ornamente für limitierte Sammleruhren.
Der Esprit und Charme des Subaru 360 wurde aber auch von zahlreichen späteren Modellen der Allradmarke zitiert. Griff der Subaru Jusmin von 1993 nur das gelbliche Farbschema des ersten Kei-Car-Bestsellers auf, präsentierte sich der Subaru Elten im Jahr 1997 bereits als modernes Microcar im unvergänglichen Retrolook des Urahnen. Im neuen Jahrtausend war es der Subaru R1, der durch sein rundliches Design mit kleinem Kühlergrill an den Subaru 360 erinnerte. Letztlich inspiriert der Spirit des Originals bis heute die ganze Kei-Car-Klasse.
Tatsächlich markiert der Subaru 360 einen so wichtigen Beitrag zur Industriekultur Japans, dass die Japan Society of Mechanical Engineers (JSME) dieses Automobil als „industrielles Kulturerbe 2016“ auszeichnete. Die JSME wurde 1897 gegründet und zeichnet alljährlich historisch wertvolle industrielle Kulturgüter in Japan aus, um sie für die Nachwelt zu erhalten und so als Teil des kulturellen Erbes der japanischen Nation an künftige Generationen weiterzugeben. Kulturgut Nummer 78 in der Liste der wertvollsten Produkte ist nun der Subaru 360 (Model K111).